Gott schenkt reich

Kreuzkirche Lüneburg
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Gott schenkt reich

Kreuzkirche Lüneburg
Veröffentlicht in Predigt · Sonntag 04 Okt 2020
Liebe Gemeinde, liebe Frau Horstmann-Köpper,
wenn wir auf die vergangenen 12 Monate schauen vom Erntedankfest 2019 bis zum heuti-gen Erntedanktag, für welche Ernte in unserem Denken, Fühlen und Handeln sind wir dankbar? - Aber auch weiter zurückgehen hinein in die Jahre oder Jahrzehnte unseres Lebens: Welche Ernte sehen wir, deren Früchte uns beschenkt haben, dass wir uns entfalten konnten?
Nehmen wir uns einen Moment, um diesen Fragen persönlich in uns Raum zu geben und wahrzunehmen, welche Bilder von Ernte und Früchten unseres Leben in uns erinnernd aufsteigen?
… Klangschale … Stille …
Es heißt in unserem Predigttext, dass Gott der Sämann ist, der Saat und Brot schenkt. Für mich ist Brot ein Symbolwort. Ich bin sehr dankbar, auch Gott dankbar, dass ich immer in meinem Leben umsorgt gewesen bin mit allem Nötigen, Guten und Schönen. Sie, liebe Gemeinde, einige unter uns jedenfalls, besonders diejenigen von Ihnen, die älter sind als ich, haben eine andere Biografie. Sie würden vielleicht sagen: Ich kenne auch Zeiten von harten  Entbehrungen und Leid. Diese Erfahrungen wollen wir heute nicht beiseite schieben, sondern sie dürfen ihren Platz haben. Dazu gleich mehr. - Auf mein Leben zurückschauend, auch auf die vergangenen 12 Monate, bin ich zutiefst dankbar für die gesunde, wohlschmeckende Nahrung bei allen Mahlzeiten, für das Wohnen im schönen Stadtteil Bockelsberg, für alle Freundschaft und Liebe, die mir entgegengebracht wird, für ein gutes Maß Gesundheit und professionell ärztliche Versorgung, für den Segen, Wirksamkeit in meiner Arbeit wahrnehmen zu dürfen … . Ich könnte noch mehr Beispiele ins Endlose ausdehnend aufzählen. Aber das Genannte mag genügen.
Ich sagte: Zeiten von Entbehrungen dürfen beim Erntedankfest ihren Platz haben. Herbert Grönemeyer bringt es so zum Ausdruck: Das Leben ist nicht fair. Es gehört zu unserem Werden, zu verarbeiten und zu bewältigen, was nicht fair gewesen ist. Ich gehe davon aus, Sie, liebe Frau Horstmann-Köpper, stimmen mir zu. Denn Ihr künstlerisches Schaffen bildet menschliche Werdung ab. Nimmt die Freuden auf, lässt Entbehrungen durchscheinen, welche widerspiegeln: Das Leben ist nicht nur fair.
Bild
Nehmen wir dieses Bild von Ihnen als Ausgangspunkt für eine Betrachtung: Unser Leben wird maßgeblich geprägt von Erfahrungen in der Kindheit. Das Mädchen lächelt. Es schaut erwartungsvoll nach oben. Hinein in die Welt, die es umgibt, hinein in die Welt, die von Erwachsenen bestimmt wird: von Eltern, Großeltern, Verwandten, Nachbarn, Lehrern, Musikerziehern und vielen anderen. Das Nötige ist für uns als Kinder, versorgt zu sein mit Essen und Trinken, mit Kleidung und Schuhen, mit ärztlicher Hilfe, wenn man sich verletzt hat beim Laufen oder Spielen. Das Gute ist, wenn wir in der Kindheit erfahren: Für dies alles ist gesorgt, vornehmlich von unseren Eltern. Dadurch lernen wir zu vertrauen und fühlen uns geborgen. Das Schöne ist, wenn wir spüren, dass unsere Eltern uns lieben, uns in unserem Wesen erkennen und uns mit unseren Gaben loben und fördern. Dies schenkt uns Freude, unser Leben mutig zu entfalten. Die Früchte unserer Entfaltung, die Ernte, die wir als Jugendliche und junge Erwachsene einholen dürfen, sind dann, dass wir liebesfähig, selbstbewusst und zuversichtlich unser Leben in die Hand nehmen können.
Diesen eben beschriebenen Erfahrungsgrund finde ich in der oberen Hälfte Ihres Werkes wieder, liebe Frau Horstmann-Köpper. Schaue ich auf die untere Hälfte des Bildes, erreicht mich eine andere Botschaft. Das Mädchen trägt ein schwarzes Kleid, aus dem Saum tropft das Schwarz am rechten Bein des Mädchens hinunter, die Füße sind nicht beschuht, sind nackt, ungeschützt. Vielleicht fühlt es sich traurig, Entbehrungen ausgesetzt, belastet, zu wenig beachtet, nicht gelobt oder gefördert. Alles ist denkbar, was die gesunde und fröhliche Entwicklung eines Kindes begrenzt. Es trägt das Lämmchen, Symbol der eigenen Unschuld und dass das Mädchen sich selbst darum kümmern muss, sich Geborgenheit zu schenken, indem es das Tier an sich drückt. Das Leben ist nicht fair.
Gott schenkt reich, heißt es im Predigttext. Aber damit ist Unfaires nicht gemeint, denn Gott schenkt keine Belastung und Trübsal. Was anderes könnte also gemeint sein? Hören wir den Nachsatz zu der Aussage 'Gott schenkt reich': »Großzügig schenkt er den Bedürftigen, was sie brauchen; auf seine Barmherzigkeit kann man immer zählen.« Gott ist zur Seite, gerade wenn wir bedürftig sind und Mitgefühl brauchen. Von ihm kann ich mir nehmen, dass ich geliebt bin und wert bin, Geborgenheit erleben zu dürfen und mich entfalten zu können.
Kinder finden ihre Tröstungen mit Tieren wie hier das Mädchen mit dem Lämmchen; durch Erlebnisse mit anderen Kindern; mit verständnisvollen Verwandten; mit staunenden Betrachtungen in Wiesen und Wäldern. Erst als Jugendliche oder junge Erwachsene sind wir in der Lage, unsere Kindheitserlebnisse wie von außen zu betrachten. Uns Gedanken zu machen darüber, welche Gefühle und welche Entwicklungen in unserer Kindheit gefehlt haben. Den Mut zu diesen Gedanken und Gefühlen können wir nehmen aus dem spirituellen Bewusstsein, dass wir von Gott geliebt sind; dass wir es wert sind, Geborgenheit zu erleben und uns entfalten zu dürfen.
Und auf dem Weg ins Erwachsenendasein treffen wir Menschen, die wirklich an uns interessiert sind: Freunde, Paten oder Patinnen, Erzieherinnen, Lehrer, Seelsorger, Ausbilder, Arbeitskollegen … . Wir können mit ihnen wesentliche Gespräche führen, uns in unserem eigentlichen Selbstwert bestätigt fühlen, uns ein Recht zugestehen auf unsere vitalen und sozialen Bedürfnisse, uns abgrenzen lernen gegenüber Menschen in und außerhalb der Familie, die uns nicht gut tun, das innere traurige Kind selbst in den Arm nehmen, selbstbewusste Denkmuster entwickeln und uns so aufstellen, dass wir uns selbst und andere lieben. Manchmal ist das ein sehr langer Weg. Aber wir fühlen uns reich beschenkt, wenn mehr Leben in unser Leben einkehrt. Wenn wir auf Früchte unserer Ernte schauen, dass wir mitfühlender mit uns selbst und mit anderen umgehen können, uns barmherziger annehmen können mit unseren Defiziten, deutlicher aussprechen können, was wir uns wünschen. Früchte solcher Ernte stimmen uns dankbar und vielleicht auch versöhnlich mit unserer eigenen Geschichte in der Kindheit, mit dem Leben unserer Familie.
Liebe Gemeinde, eine Rückschau bis hinein in unsere Kindheit kann sehr hilfreich und entscheidend sein. Es ist ein Wendepunkt zu erkennen, dass Ungereimtheiten unserer Werdung nicht mehr unsere Eltern ausgleichen können, sondern nur wir selbst. Unser Glaube kann uns das spirituelle Bewusstsein schenken: Wir sind durch Gott innig geliebt und können uns würdig fühlen, uns selbst Gutes zu gönnen. Natürlich auch anderen Gutes zu tun. Wenn wir uns beim heutigen Erntedankfest in diesem Kirchenraum umschauen, dann lächelt vielleicht unser
Herz dankbar, dass wir nicht allein unseren Weg der Selbstwerdung weitergehen. Erntedank feiern heißt in diesem Sinne auch, Dank zu empfinden für Gemeinschaft. Das Mädchen auf diesem Bild ist allein, kein Mensch ist in der Nähe sichtbar, sie hält nur das Lämmchen im Arm. Gemeinschaft, wenn sie geprägt ist von herzlichen Menschen guten Willens, ist Heilung, ist eine Freude. Danke, dass Sie da sind!
Amen


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